Mein Leben mit Akne inversa

Teil 2

Jetzt, im März 2008  möchte ich gern meine Geschichte weiter erzählen.

Mit der Annahme, dass im Februar 2005 die Abheilung der OP Wunden endlich abgeschlossen wäre, irrte ich mich doch wieder. Es blieb weiterhin so, das die Narben im Genitalbereich und am rechten Oberschenkel immer noch stückweiße offen waren. Ich ging also immer noch 3x wöchentlich zum Verbandswechsel bzw. zur Wundkontrolle in die Praxis meiner Lieblingsdoktorin. Auch sie war völlig ratlos, warum die Heilung so lange andauerte, zumal es in den Narben keinerlei Hinweise auf neue Abszesse gab. Da es mit dem Laufen auch nicht sonderlich besser ging, war ich weiterhin gezwungen jede Hinfahrt zur Praxis mit dem Taxi zurück zu legen. Eigentlich ist der Weg dahin nicht all zu weit, nur etwa 1,5 km, aber beide Strecken schaffte ich es einfach nicht zu laufen. Wäre total durchgeschwitzt und völlig groggy dort erschienen, was mit äußerst peinlich gewesen wäre.

Mein Schatz holte mich nach dem Verbandswechsel aus der Praxis ab und wir dümpelten Richtung Heimat. Zum Glück für mich befand sich, ziemlich mittig auf der Strecke, ein kleiner Lebensmittelladen und ich konnte selbst dort einkaufen gehen. Das Beste an dem Geschäft waren für mich jedoch die großen Einkaufswagen. Ich hing voller Begeisterung mit dem Oberkörper über der“ Lenkstange“, gönnte der verwachsenen Bauchfalte und dem schmerzenden Rücken erst mal eine Pause. Der Einkauf wurde dankbar dafür zeitmäßig ausgedehnt und ich entdeckte das Warenangebot fröhlich immer wieder neu.

Die 2. Hälfte des Rückweges watschelte ich dann still vergnügt, na gut, manchmal wenn es zu schmerzhaft wurde maulend, hinter meinem Göttlichen her, der die Einkäufe natürlich tragen musste. Ich hatte ja schon genug an mir zu schleppen. In unserer Wohnung angekommen war ich jedesmal stolz wie ein Spanier, total fix und alle, sowie durchgeschwitzt bin in die Socken, obwohl es draußen nicht warm war. Man sollte es nicht glauben, wie anstrengend es war so gekrümmt zu laufen. Jeder der schon mal unter Ischias gelitten hat, wird verstehen was ich meine. Daher brauchte ich dann immer fast 1 Stunde um mich zu erholen, bevor die nächsten Aktionen gestartet werden konnten. Jetzt weiß ich ja, das Narbengewebe gedehnt werden muss um solche Bewegungseinschränkungen zu vermeiden. Das erfuhr ich aber zu meinem Leidwesen erst etwa 2 Jahre nach der Operation aus dem Ai Forum und somit für mich entschieden zu spät.

Im September 2005 ging meine Ärztin dann für 4 Wochen in den Urlaub, nicht ohne mich zu ermahnen, dann wieder in der Praxis vorstellig zu werden. Ich durfte mir die Verbände selbst machen.  Da das sowieso hervorragend klappte, ich ganz einfach Arzt müde war und mir die ständige Taxi Bezahlerei sowieso jeden Monat ans finanzielle Ende der Fahnenstange anzeigte, ging ich einfach nicht wieder in die Praxis und sie sah mich nicht wieder. Ich weiß, das ist wirklich nicht besonders nett gewesen, aber ich hatte die Faxen einfach nur dicke. Wir warteten also geduldig weiter auf das Zuwachsen der letzten offenen Stellen. Lächerliche 2 cm brauchte es noch, aber Anfang 2006, fast 3 Jahre nach der Operation, war endlich das heiß ersehnte Ziel erreicht und ich hatte eine komplett geschlossene Narbenfläche.

Endlich hatten sich die Verbandswechsel erledigt, blieb nur noch die Pflege der Narben. Gut, ab und an ging immer mal wieder ein Stück der Narbe auf, wobei ich nie verstand warum das passierte, doch ein Stück Tüll und ein kleiner Schutzverband für einige Tage bereinigte die Sache und es war gut.

Zu dieser Zeit begann mir der Gedanke an eine Gehhilfe durch den Kopf zu gehen, aber noch war ich dazu nicht bereit, obwohl ich merkte, das ich trotz Übung und Narbendehnung wohl doch nicht mehr in der Lage sein würde, aufrecht zu gehen, zumindest nicht länger als 5-10 min. In der Wohnung ging es ja ohne Hilfe, aber auf der Straße halt nicht.

Also sprach ich meinen Schmerztherapeuten Ende des Jahres 2006 darauf an. Er stellte mir sofort ein Rezept über einen Rollator aus, schimpfte erst einmal mit mir, warum ich nicht schon viel früher darum gebeten hätte, da er ja immer nur sah, wie ich mich in der Wohnung bewegte. Keine 14 Tage später war das Rezept von der Kasse genehmigt und ich bekam das scharfe Geschoss in blau an geliefert. Ich schämte mich jedoch mit diesem Ding aus dem Haus zu gehen und ging eine ganze Zeit lang einfach nicht mehr auf die Straße. Die Familie meckerte gehörig, aber Jeder der in so eine Lage gerät, wird verstehen, dass es nicht ganz einfach ist, sich mit sowas anzufreunden.

So wäre es bestimmt noch eine ganze Zeit weiter geblieben, doch leider wurde uns vom Arbeitsamt, kurz vor Weihnachten als Überraschung, eine Aufforderung zugeschickt, unsere Miete zu verringern. Na toll, Weihnachten war daraufhin erst mal erledigt. Wir gingen, da wir das als nicht so ernst gemeint erachteten, in den Widerspruch. Das interessierte das Amt nicht sonderlich und man schickte gleich noch eine Aufforderung. Wie bitte soll man die Kosten senken, ohne die Wohnung aufgeben zu müssen? Wir waren total am Boden zerstört, denn schon wieder ging es eine Stufe die soziale Leiter hinunter.

Was blieb uns Anderes, als uns eine neue Behausung zu suchen. Wir bekamen das was wir nie wollten, ja, eine bezahlbare Wohnung, aber im 10 geschossigen Plattenbau in einem der sozialen Brennpunkte Leipzigs. Aus war es für uns mit dem grünem, ruhigem Stadtrand- Gebiet.

Der einzige Vorteil an der neuen Wohnung ist, es gibt einen Lift und im nahen Umfeld eine hervorragende Infrastruktur. Alles Schlechte hat ja was Gutes sag ich immer, nur muss man es manchmal etwas länger suchen. Hier ist es mir nicht peinlich mit meinem Rolli auf die Straße zu gehen, denn es kennt mich Niemand anders als so. Außerdem gibt es gleich 2 Einkaufscentren und eine Ladenstraße vor unserer Tür, Ärzte in unmittelbarer Nähe und die Wohnung ist auch noch etwas größer. Trotz Allem fühl ich mich hier in dieser Umgebung einfach nicht wohl, auch jetzt nach fast 2Jahren  nicht.

Positives gibt es aber auch zu sagen. Mein Schmerztherapeut nimmt die doppelt so lange Anfahrt gern weiter auf sich, und hilft mir nach wie vor mit seiner Akupunktur die Akne inversa in Schach zu halten.

Mir geht es gesundheitlich meistens gut, obwohl die Begleiterscheinungen der Erkrankung manchmal recht heftig ausfallen. Muskel- und Gelenkschmerzen, grippeähnliche Symptome, Durchfälle und Narbenschmerzen sind kein Vergleich zu den Schmerzen bei neuen akuten Abszessen, von denen ich seit etwa 3 Jahren verschont geblieben bin. Alte Stellen melden sich immer mal wieder zu Wort, aber Dank Voltaren behalte ich sie im Griff.

Was ich allerdings nie verstehen werde ist, wenn man an einer dieser seltenen chronischen Erkrankungen leidet, wird man damit völlig allein gelassen. Die benötigten Medikamente und Pflegemittel werden von den Kassen „ Dank der Gesundheitsreformen“ nicht übernommen, Anträge auf Mehrbedarf zur Finanzierung dafür von der ARGE abgeschmettert, mit der Begründung das Akne inversa medikamentös behandelbar sei und die Erkrankung keine spezielle Diät benötige. Leider macht mir das niemand klar, wie ich den ganzen Spaß finanzieren soll, da mein Mann Alg 2 bezieht, ich somit von meiner EU- Rente seinen Lebensunterhalt finanziere und wir nur einen Teil zur Miete an Leistungen bekommen, ich aber monatlich fast 90 Euro für Medikamente und Pflegemittel benötige. Als Fazit bleibt also nur das Zitat von Prof. Dr. Ch. Zouboulis: „ Kranke haben keine Lobby“

Trotz Alldem bin ich äußerst dankbar dafür, das ich mein Leben wieder selbst gestalten kann, sehr liebe Menschen durch die Krankheit kennenlernen durfte und leider auch dadurch verlor (Sabine Schmidt und Klaus - Jürgen Bylski), Familie und Freunde immer hilfreich an meiner Seite standen und mich, egal wie die Situation gerade war, auffingen.

Ich danke Euch Allen aus vollstem Herzen, besonders unserer Hausärztin Dipl. med. Regina Beer und meinem „ Lieblingsnadler“ MR Dr. E.Fleischer.

Noch Eins an die Akne inversa Betroffenen, die Ausdauer genug hatten und meinen Bericht gelesen haben. Keinen Tag hab ich es bereut, mich einer so großflächigen Operation unterzogen zu haben. Habt bitte keine Angst davor. Ich habe so viele Berichte von anderen Betroffenen gelesen, bei denen die Wundheilung trotz ähnlich großen Eingriffen planmäßig und schnell abgelaufen ist. Ich hatte halt ganz einfach nur Pech, das es bei mir so lang dauerte.

Leidet bitte nicht jahrelang still vor Euch hin, sondern sucht Euch Rat und Hilfe bei anderen an Akne inversa Betroffenen und kompetenten Ärzten. Ihr seid nicht Alleine, denn es gibt, leider, viel zu viele von uns, da Akne inversa zu den seltenen chronischen Erkrankungen zählt und es daher keine effiziente Behandlung zur Heilung dieser entstellenden Krankheit gibt.

 

Iris Meddah

Leipzig im Jahr 2008